Tag 27 (04. September)

Ich habe keine Ahnung wo ich bin, und trotzdem geht es mir gut. Neben mir küssen sich Männer, die Wirtin würfelt mit einem Gast um die Wette und ich bin nicht in der Blue-Oyster-Bar. Ich stecke, 150 Km südlich von Paris, in einem winzigen Nest an der D951. Irgendwo zwischen Chateau-Roux und Bourges habe ich das Gasthaus „Les Amis de Diane“ gefunden. Es war wirklich mal wieder der letzte Rettungsanker.

Durch ein schier unendliches, okay: riesengroßes, Waldgebiet läuft diese Landstrasse und in den vereinzelten Ortschaften gibt es eben nicht immer einen Campingplatz. Den letzten, den ich fand, der war geschlossen. Allmählich wurde es dunkler und nach dem extrem langen Tag, wurde ich etwas ungeduldig. Wildes Campen ist in Frankreich nämlich strengstens untersagt. Und weshalb war es überhaupt ein langer Tag?

Der Reihe nach: Der Morgen klappte mal wieder perfekt, Kaffee lief nebenbei in die Thermoskanne, während das Zelt im neongelben Louis-Seesack verschwand. Zwei Kaffee, zwei Croissants mit Salami (das schmeckt wirklich!) und dann ging es los. Ich hatte geplant, ganz entspannt, abseits der Autobahnen und der Hauptstraßen mitten durch Frankreich nach Hause zu Bummeln. Deshalb hatte ich die Einstellungen im Navi wieder übernommen (Optimale Route, keine Autobahnen, keine unbefestigten Wege) und hoffte daher wieder auf interessante und abwechslungsreiche Strecken.

Ganz hinten sieht man die "richtige" Autobahn" (Bild eventuell vergrößern?)

Ganz hinten sieht man die „richtige“ Autobahn“ (Bild eventuell vergrößern?)

Das stellte sich ganz schnell als Irrtum heraus. Die Landstraßen, die mein Navi heute wählte, waren perfekt ausgebaute vierspurige Schnellstrassen (unter anderem die N10). In Deutschland nennt man das Autobahn! Autobahnen werden von meinem Navi in Frankreich offenbar nur als Autobahn anerkannt, wenn sie Gebühren kosten. Also schickte es mich um die Ballungszentren herum auf die Autobahn. So konnte ich im Stau (Stop-And-Go) auf der Umgehungsautobahn bei Bordeaux mein in Lissabon erworbenes Wissen anwenden. Und das machte Spass!! Die einzigen die diesen Spass störten, waren deutsche und niederländische Touristen. Alle anderen (Spanier, Portugiesen und natürlich Franzosen) machten freiwillig Platz! Das sollte man auch in Deutschland einführen. Eventuell mit einer Geschwindigkeitsbegrenzung für Motorradfahrer? Mehrere Zweirad-Franzosen drängelten hinter mir, ich ließ sie vorbei, und dann knallten diese xxx (sucht euch ein Wort aus!) mit gefühlten 100Km/h durch die Lücken der Fahrzeugkolonnen. Es gibt da hoffentlich ein Video von meiner Helmkamera… wirklich unglaublich.

Zurück zum Thema. Nach dem ich diese Situation realisiert hatte (ausgebaute Strassen etc.), entschloss ich mich, dies auszunutzen und ganz einfach Kilometer zu machen. Einem englischen Motorradfahrer hatte ich gestern ja noch auf dem Campingplatz erklärt „I’m tired to sleep in a tent, it’s time to go home!“.

Und bei Licht betrachtet wird es auch langsam Zeit nach Hause zu kommen. Daher ließ ich die Abfahrt zum Cap Feret oder auch zum Bassin d’Arcachon rechts liegen (witziger Weise waren beide wegen Bauarbeiten gesperrt… ein Zeichen?) und ließ der Horizontjägerin die Zügel schiessen. Mittagessen ließen wir ausfallen und nur bei den Tankpausen vertrat ich mir kurz die Beine (rein ins Kassenhäuschen und wieder raus). Die Landschaften sahen auch nicht immer so fotogen aus, als das es sich zu fotografieren gelohnt hätte

Aber dann wurde es Zeit, einen Schlafplatz zu finden. Einsame, schnurgerade D951 und inmitten eines kleinen Ortes dann das Gasthaus. Weil ich jedoch seit knapp zwei Stunden meine ADAC-Karte nicht mehr gewendet hatte, hatte ich überhaupt keine Peilung mehr, wo ich mich befand. Die Orte, durch die ich fuhr, waren auf der Karte sowieso nicht verzeichnet.

Und um die Frage vom Beginn zu klären: die Männer im Schankraum begrüßen (!) sich alle mit Küsschen, daneben streiten sich Kinder, ein dreibeiniger Hund bellt jeden Neuankömmling an und nachdem ich mein Zimmer (in Rosa!!!) gesehen habe, fragt mich die Wirtin, ob ich essen möchte. Ich bejahe („un petit“ = soll „eine Kleinigkeit“ bedeuten) und sie bedeutet mir mit den Fingern „ab 19:00 Uhr!“ und ich werde auch gar nicht gefragt, was ich denn essen möchte!

Meine letzte Unterkunft in Frankreich?

Meine letzte Unterkunft in Frankreich?

Zum ersten Mal auf einem abgeschlossenen Parkplatz!

Zum ersten Mal auf einem abgeschlossenen Parkplatz!

Als ich mich kurz nach 19:00 Uhr in den Schankraum setze, beginnt mein 5-gängiges Menü mit Kous Kous, dann folgt ein Steak (medium) mit Pommes. Der Magen wird mit einer kleinen Käseplatte geschlossen, den Nachtisch bildet ein Obstkuchen mit Espresso und zum Abschluss folgt noch ein Glas Riesling (ich wollte keinen roten Wein), aus, wie ich verstanden habe, eigenem Anbau. Erst zum Schluß fällt mir meine verfügbare Bargeldsumme ein und ich frage nach Kartenzahlung. „Kein Problem, Monsieur!“. Das beruhigt ungemein. Gestern gab es ungefähr zur gleichen Zeit Ravioli aus der Dose. Es könnte mir also wirklich schlechter gehen.

Der einzige Wermutstropfen: es gibt hier kein akzeptables WLAN (ich soll mit dem Betreiber einen kostenpflichtigen Vertrag abschließen… Nein danke!) und die Datennetzverbindung ist völlig tot. Ich kann nicht einmal nach Hause telefonieren.

Also erfahrt ihr dies alles einen Tag später. Und morgen, wer weiß? Noch eine Nachtfahrt und damit die Übernachtung sparen? Aber jetzt sehe ich gerade auf der ADAC-Karte, direkt auf dem Weg liegt Verdun. Für die Nichteingeweihten: da war mal was vor 100 Jahren, einfach mal googeln :-). Das wäre vielleicht auch noch einmal interessant. Warten wir es ab!

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