Tag 28 (05. September)

Frühstück hatte ich mir in dieser kleinen Herberge zu um 08:00 Uhr bestellt und zu diesem Zeitpunkt stand die Horizontjägerin bereits bepackt und startbereit vor der Tür. Weil ich mir zum Frühstück Kaffee mit Milch als „Café au lait“ und nicht als Kaffe mit Milch (wie auch immer das auf französich heißen mag?) bestellt hatte, wartete ich angesichts der Müsli-Schale einen kleinen Moment auf das Müsli. Bis ich dann begriff, woraus ich den Café au lait trinken sollte. Andere Länder, andere Tischsitten. C’est la vie!

Durch das Herz Frankreichs

Durch das Herz Frankreichs

Heute ging mein Plan, mit den gewählten Navi-Einstellungen ganz entspannt, abseits der Autobahnen über interessante und abwechslungsreiche Strecken mitten durch Frankreich nach Hause zu Bummeln, voll und ganz auf! Lediglich die Temperaturen waren bereits deutlich kühler. Gottseidank hatte ich bereits gestern Abend das Futter in die Hose geknöpft und auch die winddichte Neopren-Sturmhaube rausgesucht. Es sollte sich noch lohnen!

Eindrucksvolle Chateaus auf dem Land

Eindrucksvolle Chateaus auf dem Land

Entweder lag es an der Route oder es gibt in diesem Teil Frankreichs keine der gestern beschriebenen, ausgebauten Schnellstrassen. Sei es wie es ist, es wurde zum Abschied aus Frankreich eine richtig tolle Fahrt. Die langen, geraden Abschnitte wurden immer wieder durch die Wegführung des Navis auf kleinere Nebenstrassen durch kurvige Passagen unterbrochen. Ich rollte fast ausnahmslos durch kleinere Städte, sah in der Champagne Erntehelfer bei der Weinernte (Weinlese?), klönte mit Stephane (einem französichen Trucker, der mir mit seinem Truck gerade da die Aussicht versperrte, als ich ein nettes Fotomotiv gefunden hatte) und machte vor alten Chateaus Kaffeepausen, um schließlich gegen 14:00 Uhr Verdun zu erreichen.

Nahezu jeder Ort hat seine eigene Kirche, nicht alle so prunkvoll wie diese!

Nahezu jeder Ort hat seine eigene Kirche, nicht alle so prunkvoll wie diese!

Granattrichter, so weit das Auge blickt!

Granattrichter, so weit das Auge blickt!

100 Jahre nach dem Ersten Weltkrieg gilt Verdun heute als Mahnmal und dient vor der Welt als Zeichen der geglückten deutsch-französischen Aussöhnung. Obwohl es im ersten Weltkrieg Schlachten mit deutlich höheren Verlusten gab, wurden die monatelangen brutalen Kämpfe vor Verdun zum deutsch-französischen Symbol für die tragische Ergebnislosigkeit des Stellungskriegs. Ohne pathetisch werden zu wollen (denn ich bin nur eine Motorradtour vom nördlichsten zum südlichsten Festlandspunkt Europas gefahren): es erscheint mir heute, angesichts der vielen freundlichen und hilfsbereiten Menschen die ich in allen durchfahrenen Ländern angetroffen habe, fast unvorstellbar, das dieser friedliche Zustand nicht immer so war.

Das Mahnmal und Beinhaus von Douaumont.

Das Mahnmal und Beinhaus von Douaumont.

Ein bedrückender Anblick

Ein bedrückender Anblick

Aber auf den ehemaligen Schlachtfeldern rund um das Fort Douamont wurde mir der Irrsinn des Krieges erneut sehr deutlich und (be)greifbar. Wer Interesse an Geschichte hat, sollte sich dieses vergewaltigte Land einmal anschauen. Man erhält noch immer eine Ahnung, von den entfesselten Mächten, die dort getobt haben.

Nach dem Besuch des Fort Douaumont (mit Audio-Video-Guide, sehr beeindruckend!) programmierte ich das Navi neu, Ziel: Heimatadresse! Und schon schnarrte die Stimme: „Ankunftszeit ca. 22:45 Uhr“

Na, da geht doch was. Jetzt war es gerade 15:30 Uhr und bevor ich mir noch eine Unterkunft suchen müsste … Also fuhr ich mit diesen Navi-Grundeinstellungen bis direkt hinter die belgische Genze, wechselte dort die Routen-Optionen (schnellste Route, Autobahn erlauben) und ab ging die wilde Fahrt.

 

Und wild sollte sie wirklich werden. Kaum rollten wir in Belgien auf die Autobahn, brauten sich dunkle Wolken zusammen und die ersten Regentropfen fielen. Rauf auf den ersten Parkplatz, Regenzeug an, und weiter.

Wenige Kilometer später war die Autobahn plötzlich völlig vernebelt. Ab in die Bremsen und im nächsten Moment roch ich trotz des dichten Regens den typisch beißenden Brandgeruch. Sekunden später war ich durch den Nebel hindurch und links von der Autobahn sehe ich einen Großeinsatz der Feuerwehr, ein großes Gebäude, direkt neben der Autobahn, brannte in voller Ausdehnung. Von da an gab es bis Dortmund im 20 Minuten Wechsel immer wieder Regen und Sonne. In Nottuln nutzte ich gegen 20:00 Uhr im Restaurant „Zur goldenen Möwe“ die Gelegenheit, meine Rückkehr zuhause anzukündigen.

Und anschließend wurde ich zum U-Boot-Fahrer. Denn von da an ging es (gefühlt) im Dauerregen, der immer mehr zunahm, in Richtung Heimat. Wer als Biker schon mal eine Nachtfahrt bei einem solchen Wetter mitgemacht hat (oder mitmachen musste?), der kennt dieses Gefühl. Der Nacken wird langsam steif, durch die Regentropfen auf dem Visier siehst du nur die Wasserfahnen der vor die fahrenden Autos, dann die ersten Feuchtigkeitssignale unter (!) der Regenkleidung (vorzugsweise im Nacken, an den Handgelenken und im Schritt!) und du denkst nur noch eines: was mache ich hier?

Also, so ging es mir jedenfalls. Vielleicht gibt es ja auch Regen-Liebhaber? Hinzu kam, das das Profil meiner Reifen nach mehr als 13.000 Kilometern eine etwas eigenwillige Form angenommen hatte. Vielleicht nicht gerade ideal für eine Regenfahrt, daher verdoppelte ich bereits die Sicherheitsabstände zu den vorausfahrenden Fahrzeugen.

Und dann kam irgendwann die Abfahrt auf die A261, der Abzweiger zur A7 in Richtung Elbtunnel. Gesperrt? Baustelle? Seid ihr bescheuert? Ich war absolut nicht „amused“. Wenn mir dann noch als Alternative ein Umweg über das Autobahnkreuz Maschen angeboten wird… Also kurz überlegt und dann weiter in Richtung Lübeck. Dann fahren wir halt über die A1. Mittlerweile war es ca. 23:00 Uhr. Kurz vor Stillhorn der nächste Schreck. Blaulicht auf der gesamten Breite der Autobahn, Warnblinker begannen zu flackern und schnell stand ich am Ende eines Staus. Nach mehreren Minuten Schrittempo sah ich die Ursache: ein PKW lag völlig zusammengestaucht mitten auf der Fahrbahn. Hier hatte der Sicherheitsabstand offenbar nicht gereicht. Rettungswagen waren schon nicht mehr an der Unfallstelle, nur die Kollegen der Unfallaufnahme taten im strömenden Regen ihren Job.

Um 23:45 Uhr rollte ich dann endlich völlig durchgeforen in den Schutz unseres Carports und schaltete die Zündung ab.

Ende der Tour!

Ende der Tour!

 

 

5 Kommentare

  1. Hallo Frank!
    Herzlichen Glückwunsch zu dieser tollen Leistung.
    Deine Berichte klangen immer so, als wenn Du die Reise trotz der Strapazen immer genossen hast.
    Und so wird es ein unvergessliches Erlebnis für Dich bleiben.
    Erhole Dich jetzt bei hoffentlich besserem Wetter (…in Frankreich scheint heute morgen herrlich die Sonne…) und wir sehen uns am 5. Oktober wieder.
    Liebe Grüße auch von Christine!

  2. Gratuliere. … das soll erst einmal jemand nachmachen! Perfekt! Danke für den 1a Bericht!!! Gruß. GerdH.

  3. Hallo Frank, mit großem Interesse habe ich Deine spannenden Berichte gelesen. Schön, daß Du wieder heil gelandet bist.
    LG Jürgen

  4. GRATULIERE!!!
    Und schön zu wissen, dass du nach 13.000 km wieder heil und gesund zu Hause angekommen bist!

  5. Hallo Frank, Gratuliere, du hast es geschafft. Bin auf Bilder und Videos gespannt, wenn wir uns im Okt. sehen. Gruß Uwe

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